Der demokratische Neubeginn
1946 – 1961
Die Vorsitzenden Meissel und Burghard
1946 kam es zu einem ersten Treffen blinder Männer und Frauen. Das Ziel war, den Verein wieder neu zu beleben. Als Vorsitzender wurde Emil Meissel gewählt. Eine neue Satzung musste geschrieben werden und vor allen Dingen musste die Grundversorgung der Mitglieder gesichert werden. Damals hungerten und froren alle Hamburger, aber in dem harten Verteilungswettkampf um Essen, Wohnen und Wärme hatten blinde Menschen besonders schlechte Karten. Der Vorstand bemühte sich um Nahrungsmittel und Kleidung, später kamen dann Darlehen hinzu.
Ein weiteres wichtiges Bedürfnis war der Wunsch, die soziale Isolierung zu überwinden.
Der Vorstand schaffte es, gleich 1946 ganz kurze Zeit nach der Neugründung, ein Sommerfest zu organisieren.
1949 wurde Erwin Burghard zum ersten Vorsitzenden gewählt. Deutschland ging es wirtschaftlich langsam besser, neue – oder vielmehr alte - Ziele rückten in den Mittelpunkt.
1949 nahm der neugegründete DBV (Deutscher Blindenverband) die alte Forderung nach einer Blindenrente, auch Blindenpflegegeld (heute Blindengeld) wieder auf und der Verein machte sich sofort daran, dies auch in Hamburg umzusetzen. Das Ziel war die Gleichstellung mit den Kriegsblinden. Der Vorstand und die Mitglieder suchten Kontakt zu Politikern und schalteten die Presse ein. Die Bürgerschaft vertagte das Thema jahrzehntelang, in der Zwischenzeit verstarben Fürsprecher, die man gewonnen hatte. Lediglich eine Unterstützung für Menschen, deren Einkommen unterhalb der Wohlfahrtsunterstützung lag, konnte man erreichen. Das reichte dem Verein nicht und so blieb das Thema jahrzehntelang auf der Agenda des Vereins.
Für das Vereinsleben brauchte der Verein wieder ein eigenes Haus, einen Ort, an dem man sich treffen konnte, in dem die Verwaltung untergebracht war. Im März 1950 hatte man ein geeignetes Haus in der Wagnerstraße gefunden, das aber in sehr schlechtem Zustand war und nach und nach hergerichtet wurde. Der Verein finanzierte es mit dem Verkauf von Postkarten und Spenden.
1951 weihte der Verein dann sein Haus ein und es wurde zur festen Anlaufstelle der Mitglieder.
Der DBV hatte damals ein Erholungshaus in Timmendorfer Strand, das bei Hamburger Vereinsmitgliedern sehr beliebt war, allerdings bekamen sie oft keinen Platz. Dies führte zu Unzufriedenheit und so kaufte der Blindenverein Hamburg im Jahr 1952 ein eigenes kleines Haus, das spätere Haus Sonneneck. Anfangs war vieles improvisiert, aber das Haus wurde von den Hamburgern sehr gut angenommen.
1951 kam das erste Mal die Idee auf, selbst preiswerten Wohnraum für blinde Menschen zu schaffen. Ein Vorschlag war, mit Spendengeldern Siedlungshäuschen zu bauen. Dies wurde aber von der Behörde abgelehnt, weil man es blinden Menschen nicht zutraute, einen Garten zu versorgen oder Reparaturen vorzunehmen. In der Zeit baute auch die Blindenanstalt Wohnungen für blinde Menschen, doch der Vorstand war mit den Wohnungen und der Zusammenarbeit mit der Blindenanstalt nicht zufrieden und so beschloss der Vorstand 1955, den Wohnungsbauplan weiter zu verfolgen.
Aber auch Geselligkeit und Kultur prägten die 50er Jahre. Dem ersten Sommerfest 1946 folgten viele weitere Feste und Tanzveranstaltungen, ehrenamtlich organisiert und gut besucht. Es gab Theateraufführungen und die ersten Versuche, Filme mit Live-Einsprache zugänglich zu machen. Außerdem unterstützte der Vorstand die Gründung der norddeutschen Hörbücherei.
Ende der 50er Jahre konnte der Verein erreichen, dass der weiße Stock als Verkehrsschutzzeichen anerkannt wurde. (Dies wurde im Nationalsozialismus abgelehnt)
Um seine Arbeit zu finanzieren, war der Verein auch in den 50er Jahren auf Spenden angewiesen. Anfangs gab es noch den Postkartenverkauf, später setzten sich dann die Straßensammlungen und die Spendenbriefe durch. Dazu trafen sich Freiwillige, um beim Kuvertieren und Versenden zu helfen. Diese Treffen erfüllten einen doppelten Zweck: Sie brachten Geld ein und festigten den sozialen Zusammenhalt.
Ein großes Problem in dieser Zeit war die Genehmigung der Sammlungen. Bis Mitte der 60er Jahre galt das Sammlungsgesetz von 1934, jede Sammlung und der Sammlungszweck musste von der Behörde genehmigt werden. Die Genehmigung war kein Selbstgänger, manches wurde abgelehnt, Sammelaktionen des Vereins nur unter Auflagen gestattet.
1961-1981
Der Vorsitzende Dr. Nicolussi
1961 wurde Dr. Rudolf Nicolussi zum ersten Vorsitzenden gewählt.
Ein großes Vorhaben der sechziger Jahre war das Bauvorhaben Lurup. Es sollten sowohl Wohnungen als auch ein Kulturhaus mit Kegelbahn gebaut werden. Das Kulturhaus sollte die Möglichkeit zu unterschiedlichen geselligen und kulturellen Veranstaltungen bieten.
Man entschied sich für Lurup, weil Anfang der sechziger Jahre eine Bahn nach Lurup geplant war.
Der Bau der Wohnungen war relativ unkompliziert, 1963 wurde es auf der Generalversammlung beschlossen, ein halbes Jahr später wurden die Baupläne bei der Behörde eingereicht. Der Grundstein wurde 1965 gelegt, 1966 waren 44 Wohnungen bezugsfertig.
Etwas schwieriger war es mit dem Kulturhaus. Es sollte mit Einnahmen aus dem „Zahlenlotto und Fußballtoto“ finanziert werden, doch der Antrag wurde lange Zeit nicht genehmigt. Der Vorstand wurde lange Zeit vertröstet, bis der Lottoblock die Finanzierung sicherte. 1969 wurde dann das Haus feierlich eingeweiht.
Die größte Baustelle war aber in den 60er Jahren das Thema Blindengeld, für das der Verein kämpfte. Dr. Nicolussi führte zahlreiche Gespräche mit Senator Weiß, der dieses Ziel auch persönlich unterstützte. Ein kleiner Kompromiss war, dass Mitte der 60er Jahre die Einkommensgrenzen großzügiger ausgelegt wurden. Das eigentliche Prinzip blieb aber das einkommensunabhängige Blindengeld, die vollständige Gleichstellung mit den Kriegsblinden. Die Behörde unterstützte weiter den Verein und arbeitete 1970 einen Gesetzesentwurf aus, den sie mit dem Vorstand abstimmte.
Am 17. Februar 1971 wurde dann von der Bürgerschaft ein einkommensunabhängiges Blindengeld beschlossen. Das Gesetz trat am 1. März 1971 in Kraft.
Auf der Hauptversammlung im Januar 1973 war eine Lehrerin der Blinden- und Sehbehindertenschule eingeladen, die über den Langstock als neues Hilfsmittel referierte.
Der Verein unterstützte daraufhin die Ausbildung der Mobilitätstrainer und beantragte dafür Gelder bei der Claire-Jung-Stiftung.
Der Vorstand schloss auch einen Vertrag mit einem Mobilitätstrainer, der die Mitglieder schulte. Der Vertrag lief nach ein paar Jahren aus, zu dem Zeitpunkt zog dann das Institut IRIS nach Hamburg, die dann die Schulungen übernahmen.
Ab 1976 bot der Verein im Haus Sonneneck Freizeiten für neuerblindete Menschen an. Die Freizeiten dauerten drei Wochen und wurden von einem blinden Ehepaar durchgeführt. Themen waren: Einführung in Punktschrift, Mobilität, gesellschaftliche Eingliederung, die erblindete Hausfrau etc. Darüber hinaus wollte man die Menschen aber auch aus ihrer Isolation holen und ihr Selbstwertgefühl stärken. Diese Kurse wurden bis Anfang der 90er Jahre regelmäßig durchgeführt.
1979 zeichnete sich ab, dass das Haus in Timmendorfer Strand immer reparaturanfälliger wurde und nicht mehr den Ansprüchen der Zeit entsprach. Es gab zwei Optionen. Umbauen oder abreißen und neu bauen. Zunächst einmal plante man einen Neubau für 20 Personen. Man wollte sich aber vorher noch mit dem DBV absprechen, der sein Erholungshaus nebenan auch renovieren wollte. Der DBV machte dem Hamburger Verein jedoch einen anderen Vorschlag. Sie wollten sich aus der Erholungsfürsorge zurückziehen und boten dem Blindenverein Hamburg ihr Haus zum Kauf an. Dem Vorstand war klar, dass der Betrieb dieses Hauses kein gewinnbringendes Unternehmen sein würde, wollte aber aus sozialen Erwägungen den Erholungsbetrieb erhalten. Man berief deshalb eine außerordentliche Mitgliederversammlung ein, auf der der Kauf des DBV Hauses beschlossen wurde.